Innenleben & Langdistanz Triathlon Training in der Praxis für Mütter - Interview

Der Triathlon Sport und Mami zu sein von einem oder mehreren Kindern, stellt ganz besondere Ansprüche an die Organisation und das Zeitmanagment. Wir möchten mit dem Interview zweier Mütter einen Einblick in die Umsetzung geben, sowie auch in das Innenleben und die mentalen Herausforderungen.


Liebe Simone / Sabine - Bitte stelle dich selber kurz vor damit die Leser sich ein Bild von euch machen können.

Simone:

Ich heisse Simone Stahlberger, bin 44 Jahre alt, verheiratet und Mami von zwei Jungs im Alter von 6 und 9 Jahren.
Ich habe schon vor den Kindern Triathlon gemacht, habe zu der Zeit zu 100% gearbeitet und war berufsbedingt viel auf Reisen. Es war also schon damals eine Challenge, alles unter einen Hut zu bringen.
Neben dem Triathlon und Mami sein, bin ich auch noch zu einem Teilpensum in der Firma meines Mannes im Bereich Personal, Marketing, Buchhaltung tätig.
Ich habe dieses Jahr ziemlich viel Zeit, da beide Kinder am Vormittag und auch 2 mal pro Woche am Nachmittag in der Schule bzw. im Kindergarten sind.
Im Herbst  2018 ist die Entscheidung gefallen, dass ich den Ironman Switzerland 2019 machen möchte.

Sabine:

Sabine Simmen, 39 Jahre verheiratet mit Roli, 2 Mädchen (Amaya 5 Jahre und Jarina 7 Jahre), Schäferhund Banu 1.5 Jahre).
Ziele: Ironman Rapperswil, Ironman Zürich, Finishen mit dem Gefühl, an diesem Tag das Beste rausgeholt zu haben.


Wieviele Einheiten in der Woche trainierst du im Durchschnitt?
Bitte beschreibe einen normalen Belastungstag mit einem oder mehreren Einheiten. 



Simone: 
Ich trainiere an einem Trainingstagen 1 - 3 Einheiten. Ein Tag pro Woche ist fix als Ruhetag eingeplant.
Die Trainingstage sehen sehr unterschiedlich aus. Es kommt sehr darauf an, was für wie lange trainiert wird. Ein typischer Trainingstag sieht aber in etwa so aus:

6:45 der Wecker klingelt
7:00 die Kinder wecken, frühstücken
8:00 die Kinder sind aus dem Haus - kurz alles aufräumen, dann habe ich ca 2 - 3 Stunden Zeit fürs Training.
11:30  sollte ich spätestens geduscht wieder bereit stehen
12.00 hungrige Kids kommen von der Schule nach Hause.
13:10 die Jungs sind in der Nachmittagsschule und ich habe nochmals knapp 2 Stunden Zeit fürs Training. Dies ist allerdings nur 2x pro Woche der Fall.

Ab ca 15:10 Uhr, wenn die Kinder wieder zuhause sind ist der Trainingstag beendet. Dann ist Action im Haus, die Kinder müssen irgendwo hingefahren werden oder bringen Freunde mit nach Hause. An manchen Tagen sind die Kinder am Nachmittag zuhause da trainiere ich am Nachmittag nicht.
Ich versuche also möglichst viele Trainings in die Zeit zu legen in welcher die Kinder in der Schule sind.

Sabine:

Ich trainiere ca. 12 Einheiten in der Woche.
 
Einen Double Bike Day startet um 6:45h in der Früh. Ich spaziere eine kurze Runde mit dem Hund und esse dann mit den Kids das Frühstück. Um 8:00h machen sich die Mädchen auf den Weg zur Schule und Kindergarten. Sobald sie aus dem Haus sind mache ich noch kurz ein paar Haushaltsarbeiten und gehe dann ca. 1 Stunde mit dem Hund spazieren. Die Länge des Spazierganges hängt vom Training ab. Ich rechne mir immer genau aus wann ich mit dem Training starten muss, so dass um 12:15h das Mittagessen bereit steht.
Vor dem Mittag also absolviere ich das erste Rollentraining im Keller. Dazu habe ich mir ein kleines Fitnesszimmer eingerichtet.
 
Da ich mich trainingspeziifisch ernähre, koche ich für mich separat, das ist etwas aufwändig, lohnt sich aber. Um 13:00h geht die grössere Tochter wieder zur Schule. Nach der Mittagspause deale ich dann oft mir unserer kleinen Tochter Amaya. Sie darf wünschen was sie mit mir vor meiner zweiten Trainigseinheit spielen möchte. Die Dauer des Spiels hängt von der Dauer des Trainings ab. Ich sollte mit dem Training um 15:30h fertig sein, da dann die grössere Tochter von der Schule nach Hause kommt. Oft muss ich die Mädchen dann zu ihren Hobbies fahren.
Beim Rollentraining am Nachmittag turnt Amaya meist neben mir im Fitnessraum.
Während die Mädchen ihren Hobbies nachgehen, gehe ich wieder mit unserem Hund spazieren. Da ich mit ihr Hundesport betreibe, trainiere ich dann meist auch noch mit ihr Prüfungsübungen.
 
Um 18:00h essen wir typisch schweizerisch das Abendessen. Die Kinder sind ca. 19:30h im Bett. Danach habe ich Zeit für mich oder mache noch etwas Haushalt.
 

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In welcher Form unterscheidet sich dein Triathlon Training zu früher wo du kinderlos warst am meisten? 


Simone:

Der grösste Unterschied ist das Unberechenbare. Wenn die Kinder krank sind wird der Plan innerhalb von kürzester Zeit über den Haufen geworfen. Wenn die Kinder Ferien haben bleibt nicht viel Zeit fürs Training. bzw. stellt sich in den Ferien die Frage, was nun Priorität hat. Die Zeit mit den Kindern oder das Training. Dies ist eine Situation, welche ich als belastend empfinde. Einerseits gibt es für mich nicht viel Schöneres als in den Ferien Zeit mit meinen Kinder bzw. mit der ganzen Familie zu verbringen, andererseits möchte ich aber noch mindestens ein Training in einen solchen Ferientag bringen. Das stellt mich immer wieder vor eine logistische Herausforderung und häufig habe ich am Schluss ein doppelt schlechtes Gewissen, da ich einerseits gerne mehr Zeit mit meinen Kinder verbracht hätte, anderseits das Gefühl habe zu wenig trainiert zu haben. Wenn es früher schwierig war die Trainings unter der Woche zu planen, sind es heute eher die Trainings an den Wochenenden die nicht
wirklich richtig gut in die Tagesplanung der Familie passen. Dann wird oft
auch früh morgens trainiert, so dass ich wieder zuhause bin, wenn die
Kinder aufstehen.


Sabine:

Die Kinder bestimmen meinen Alltag. Ich richte das Training nach ihnen. Sie bestimmen sozusagen wie oft und wie lange ich trainieren kann. Mein Tag ist auf Minuten genau geplant. Sind sie krank, bricht das System zusammen und ich muss mich umorganisieren.
 
Trainiere ich in den Schulferien plagt mich das schlechte Gewissen.
Durch das Training verzichte ich auf Familienzeit, oft frage ich mich dann: Lohnt sich das wirklich?
 
Trainingslager oder Wettkämpfe im Ausland müssen lange im Voraus geplant werden.


Welche organisatorischen Hindernisse stellten sich in den Weg und wie hast du sie gelöst oder optimiert? 


Simone:

Solange alles ist wie geplant läuft, sprich die Kinder sind Mo - Fr sind in der Schule , keiner ist krank, keine Ferien sind, ist die Organisation nicht schwierig.
Ich trainiere wenn die Kinder in der Schule sind. Schwierig wird es in den Ferien oder wenn sonst etwas Ausserordentliches ansteht. Dann trainiere ich auch, wenn die Kinder da sind. Entweder sitze ich dann auf die Rolle und hoffe, dass mich die Kinder für 1 - 2 Std trainieren lassen (was ehrlich gesagt eher selten der Fall ist :-)) oder sie kommen auch mal mit auf die 400m Bahn. Eine Möglichkeit ist es, dass unsere Kinder bei Freunden, Verwandten oder dem Babysitter sind. Dies ist bei uns aber eher selten der Fall.


Sabine:

Trainieren mit einem Coach hilft sehr, finde ich. Früher trainierte ich in jeder freien Minute, die mir zur Verfügung stand. Dies führte dazu, dass ich mir keine Zeit für die Erholung gab. Es kam soweit, dass ich dann vor lauter Erschöpfung komplett auf den Sport verzichten musste.
 
Heute verschreibt mir der Coach Ruhetage. An diesen Tagen nehme ich mir bewusst Zeit für mich. Mache Powernapping oder gehe in die Sauna. Den Haushalt versuche ich so gut es geht stehen zu lassen.  
 

Welchen Einfluss hat Erholung in deinem Alltag und wie stellst du sicher das du dich nicht überlastest? 

Simone:

Die Erholung ist sicher das, was am ehesten vernachlässigt wird. Häufig eile ich nach dem Training unter die Dusche, und dann stehen auch schon die Kinder da, die dann ganz dringend ganz viel von mir brauchen. Die Momente in denen ich die Beine hoch lege und nichts tue sind sehr selten. Dabei wären sie in einer intensiven Trainingsphase sicher genau so wichtig wie die Trainingseinheiten. Mein Körper meldet sich aber, wenn es zu viel wird und dann versuche ich, meine Erholungszeit besser einzuplanen.

Sabine:

An Belastungstagen kommt die Erholung zu kurz bzw. ist kaum möglich. Dafür müsste der Tag mehr Stunden haben. Ich versuche mich über die Nacht so gut wie möglich zu erholen und schaue, dass ich mindestens 8 Stunden Schlaf habe. Zudem habe ich das Vertrauen in den Coach, dass es nicht zu einer Überlastung kommt. Ich denke hier muss ich meinerseits gut kommunizieren und auch ehrlich zu mir selber sein.


Welche Unterstützer hast du in deinem Umfeld? 


Simone:

Wenn es darum geht mir Zeit fürs Training zu ermöglichen ist mein grösster Unterstützer die Schule bzw. der Kindergarten. Zudem kümmert sich am Wochenende und in den Ferien natürlich auch mein Mann um die Kinder, wenn ich am trainieren bin. Er schmeisst zuhause auch den Haushalt, wenn ich mal eine Woche im Trainingslager bin und er ist an den Wettkämpfen mein allergrösster Fan - an dieser Stelle ganz vielen Dank dafür!

Wir haben aber auch viele gute Freunde und Familie, welche sich um unsere Kinder kümmern. Dies vor allem in den Ferien oder an Tagen, an welchen ich lange Einheiten von ca 6h trainiere. Dies ist vor allem in der warmen Jahreszeit ca. 1x pro Woche der Fall.


Eine grosse Unterstützung ist mein Coach. Er gibt mir sehr viel Gelassenheit und Vertrauen darin, dass ich die Zeit, welche ich fürs Training habe auch optimal nutze. Das grübeln darüber, was ich wohl am besten trainieren soll und ob ich wohl auch alles richtig gemacht habe, entfällt.
Ich kann mich zu 100% auf eine möglichst optimale Umsetzung der Trainingseinheiten kümmern. Wichtig ist es aber, einen flexiblen Coach zu haben, da es doch viele Situationen gibt, an welchen die Trainings nicht wie geplant umgesetzt werden können.

Meine mentalen Unterstützer sind meine Kinder und mein Mann. Sie stehen zu 100% hinter diesem Projekt und interessieren sich auch sehr dafür - auch wenn sie manchmal motzen, wenn ich wegen den Trainings unterwegs bin, anstatt Zeit für sie zu haben.

Sabine:

Ich schätze mich sehr glücklich, dass meine Familie hinter mir steht und mich wo immer möglich unterstützt. Mein Mann Roli übernimmt sämtlich Rollen wenn er nicht bei der Arbeit ist.
Meine Eltern, sind super Grosseltern, Hundesitter und Gärtner. Auch an den Wettkämpfen sind sie mit dabei.
Meine Schwägerin Andrea ist das beste Gotti und Tante unsere Kinder, sie und ihr Mann sind jeweils mit Herzblut an jedem möglich Wettkampf dabei.
Meine Schwiegereltern sind auch immer auf Abruf trotz ihren vielen Hobbies.
Der grosse Cousin und die grosse Cousine unseren Kinder springen auch gerne als "Babysitter" ein und unterstützen mich lautstark an den Wettkämpfen.
Zudem wohnen wir in einem Quartier mit netten Nachbarn wo die Kinder immer gerne willkommen sind, wenn ich mal längere Einheiten trainieren muss.
Auf zwei coole Kindermädchen kann ich mich auch verlassen.


Welche Tätigkeiten im Haushalt oder ausserhalb des Sportes hast du abgegeben? 


Simone:

Ich habe eine sehr wertvolle Unterstützung im Haushalt, welche einmal pro Woche während 3 Std. durch unser Haus wirbelt.

Sabine:

Meine Mann hilft im Haushalt mit. Zu zweit meistern wir das sehr gut.
Die Gartenarbeit kommt definitiv zu kurz.

Darum kümmere ich mich dann aber nach dem 21. Juli :)
Es kommt selten vor, dass ich jemanden aus der Familie für einen Spaziergang mit unserem Hund anfrage.


Welche mentalen Hürden gab es oder gibt es noch?


Simone:

Die grösste Schwierigkeit ist es, allem gerecht zu werden und überall zu 100% präsent zu sein. Im Sport 100% zu geben, was bei harten Trainings auch mental an die Substanz geht und dann am Nachmittag mit dem selben Herzblut bei den Kindern und der Familie präsent zu sein.

Es war mein Ziel, dass meine Familie unter meiner Ironman Vorbereitung nicht zu kurz kommt. So ganz konnte ich das nicht umsetzen. Wie schon geschrieben sind vor allem die Ferien und auch die Wochenenden ein Knackpunkt. Mindestens ein Training pro Tag muss irgendwie Platz finden und das ist nicht immer ganz einfach wenn man auch noch den Anspruch hat, den ganzen Tag mit der Familie zu geniessen. Was die Situation auch nicht einfacher macht ist, dass sich mein Mann auf die Tortour 2019 vorbereitet und somit auch seine Trainingszeit beansprucht. Wenn ich also 3 Stunden Rad fahren gehe an einem Ferientag und er dasselbe tun möchte, dann sind die gemeinsamen Stunden sehr knapp. Wenn sich die Familie dann anfängt zu beklagen wird es für mich ziemlich anstrengend und ich merke, wie mich solche Situationen ziemlich viel Energie kosten.
Eine weitere mentale Herausforderung stellt für mich der Mangel an sozialen Kontakten dar. Viele der Trainings absolviere ich alleine. Somit sind die Zeiten, in welchen ich mich mit erwachsenen Personen austausche seltener geworden. Was hilft sind gemeinsame Trainings oder auch neben dem Training gezielt soziale Kontakte zu pflegen.
Unter dem Stich gibt mir die Vorbereitung auf den Ironman aber sehr viel Zufriedenheit und die Herausforderung, welche ich gesucht habe.

Sabine:

An knackigen Trainigstagen ertrage ich Streiterein zwischen den Mädchen kaum oder wenn sie nicht gehorchen werde ich oft zu schnell zu laut. An manchen Tagen gelingt es mir besser, mich daran zu erinnern, dass die Mädchen nichts für meine Müdigkeit können. An anderen Tagen muss ich mich jeweils für mein Verhalten entschuldigen.


Welche Tipps kannst du Mütter geben die Bedenken haben das sich der Triathlon Sport und Mami sein nicht vereinbaren lässt?


Simone:

Mami sein lässt sich in meinem Fall sehr gut mit dem Triathlon-Training vereinbaren. Das kommt aber sehr auf die jeweilige Lebenssituation an. Wenn die Motivation stimmt und die ganze Familie hinter diesem Projekt steht dann steht meiner Meinung nach dem Ziel Triathlon nichts im Wege. Was es braucht ist Freude am Sport, viel Motivation und eine grosse Portion Flexibilität von allen Beteiligten. Verfolge dein Ziel, welches dich glücklich macht. Der Weg dorthin ist bestimmt nicht immer einfach - aber einfach soll ein Ziel ja auch nicht unbedingt sein.
Trau dich, als Mami und Hausfrau nicht perfekt zu sein.


Sabine:


Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Ich finde, wenn man tief in seinem Herzen den Wunsch spürt einen Triathlon zu machen, sollte man nicht zögern die Kinder ins Triathlonleben integrieren. Kann gut vorkommen, dass man dann plötzlich zum Sportidol wird :)


Was möchtest du uns noch sagen? 


Simone:

Es ist ein riesiges Privileg, dass ich mir im Moment so viel Zeit für mein Hobby, meine Passion Triathlon nehmen darf. Dafür bin ich sehr dankbar und ich geniesse die Zeit auch ganz bewusst. Vielleicht entstehen manchmal schwierige Situationen aus der Kombination Familie und Sport. Die Hauptsache, welche aber nie fehlen darf, ist der Spass! Der Spass ist das oberste Gebot dieses Projektes. Wenn der abhanden kommt, dann wird die Übung abgebrochen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass ich diese Notbremse nicht ziehen muss, denn im Moment ist der Spassfaktor sehr hoch und langsam nähern wir uns dem Ziel. Und das erste Ziel ist es unverletzt, glücklich und zuversichtlich am Start des Ironman Switzerland 2019 zu stehen.


Sabine:

Mein Sport macht mich glücklich. Meine Familie macht mich glücklich. Zusammen kombiniert, ist es Glück pur für mich!



Vielen lieben Dank für eure offene Gedanken & Worte und das ihr sie mit uns teilt.